Wir brachen zeitig auf und der Morgen war so wunderbar ruhig. Unser Ziel war es, Richtung Süden zu fahren. Zuerst nahmen wir die Route ins Landesinnere und befanden uns in üppigen, grünen Bergen, in denen die Wolken hangen. Immer wieder weisen Schilder auf traditionelle Dörfer der Hakka hin, eine Volksgruppe der Chinesen. Aber es gibt in dieser Gegend auch viele Menschen indigener Abstammung.
Wir hielten am Liyu-See, der sich grün in die Farbe der Landschaft einfügt. Am Rand stehen unzählige Ententretboote, heute unbenutzt. Nicht auszudenken, wie voll es hier im Sommer sein muss. Das meiste hat geschlossen, außer die Toiletten, die haben immer auf. Überall in Taiwan findet man alle paar hundert Meter, auch auf dem Land, eine saubere Toilette. Dort findet sich auch überall ein Emergency Button. Ob in der Kabine oder außen. Drück drauf und dir wird geholfen.
Wir holten uns was zu essen für den Tag im nächsten Supermarkt und zogen weiter mit Schrittgeschwindigkeit durch Taiwan. Tatsächlich darf man hier nur 60, allerhöchstens 70 fahren und dann sieht man nicht mal die Leute, die einen überholen, weil die Scheiben komplett getönt sind. In Deutschland wäre das undenkbar.
Taiwan ist übrigens ein Fahrradland, zumindest für Fahrradtourismus. Die Firma Giant kommt sogar hierher. Es gibt überall Fahrradwege, Fahrrad-Rest-Stops und eben Fahrradläden. Wenn der bösartige Wind an der Küste nicht wäre, wäre das tatsächlich eine richtig coole Art des Reisens durch dieses Land.
Eigentlich dachten wir, dass die Hunde ihre Gliedmaßen durch E-Autos verlieren, die man kaum um die Ecke biegen hört. Aber irgendwie müssen hier früher Tierfallen aufgestellt worden sein, wo die Vierbeiner leider reingetreten sind. Die Straßenhundedichte ist hier um Hualien und im Süden an der Ostküste entlang extrem hoch.
Des Deutschen Hörigkeit ist nicht immer angemessen. Vor allem im Ampelsystem auf Taiwans Straßen. Es gibt nämlich Vorampeln. Die können schon mal rot sein, weisen aber nur darauf hin, dass irgendwann die richtige Ampel kommt. Glücklicherweise war die Straße leer hinter uns, sodass nicht ein Hubkonzert entbrannte, nachdem wir auf die Eisen gestiegen sind.
Gegen Mittag erreichten wir unser Tagesziel. Und es war noch schöner als auf irgendwelchen Bildern im Internet. Sanxiantai, die Seedrachenbrücke. Gott sei Dank hat dieses phänomenale Bauwerk mitten in der Natur, das Erdbeben und die unzähligen Taifune in diesem Jahr weitestgehend heil überstanden.
Wir machten Fotos, schauten den Wellen zu, guckten in den Tidepools, ob sich irgendwelche Krebse befinden, stolzierten über die Brücke bei gefühlten 100 kmh Wind, gingen auf Sanxiantai, was die Insel dahinter ist, spazieren und freuten uns über 22 Grad und herrlichen Sonnenschein.
Wir machten an der Brücke kehrt und fuhren 100 Küstenkilometer direkt am Meer zurück nach Hualien. Es brauchte nicht viel. Eine Packung Chips und die Straße. Links die Berge, rechts das Meer.
Warum Chips? Diese gibt es in den verrücktesten Sorten hier in Taiwan. Wir hatten schon gesehen und teilweise probiert: Spiegelei, Maissuppe, Steak, Rippchen, asiatische Suppen und Algen. Und heute hatten wir was, das sah aus wie Würstchen und die taiwanische Art ist total lecker. Allerdings gab es ein Problem. Wir wunderten uns, dass die Chips komisch schmecken und hielten mal das Übersetzungsprogramm drauf. Ekelhaft! Es waren Pollackrogen. Wir wussten nicht mal, dass Pollack überhaupt ein Fisch ist.
Wir passierten den Wegmarker des nördlichen Wendekreises und bogen ein Stück von der Küste ins Landesinnere ab. Wir hielten an einer Brücke über einer Schlucht. Da schwangen sich schon wieder Affen durch die Bäume, die wir ehrlich gesagt hier gar nicht erwartet hätten.
Auch hier sind die Taifun- und Erdbebenschäden noch sehr zu spüren. Mal fehlt die halbe Straße, mal ist alles mit Schlamm überzogen, mal sind Hänge runtergerutscht. Es sieht immer noch ziemlich schlimm hier aus. Wenn Du siehst, wie die Wellen schon bei normaler Windstärke gegen die Kaimauern peitschen, hast Du irgendwie ein Gefühl dafür, wie das bei einem Taifun hier enden könnte. In unserer Autoversicherung sind übrigens Erdbeben und Taifunschäden ausgeschlossen. Naja, man weiß hier schon warum.
Wir besuchten die felsige Küste von Shitiping, übrigens, was für ein lustiger Name. Da standest du dort oben, konntest tief in den Abgrund gucken, während das Meer mit voller Wucht gegen die Brandung donnerte und man aufpassen musste, nicht nass zu werden. Währenddessen stiegen zwei Asiaten auf einen schmalen Grat in Latschen, um Fotos von sich selbst zu machen.
Man konnte sich an dieser Straße einfach nicht satt sehen. Und als dann noch die Sonne langsam unterging, wurde es noch magischer. Das letzte Highlight der Küste war der Henan-Tempel mit einer riesigen goldenen Buddha-Statue oben in den Hängen. Während unten einer zu uns hoch brüllte, man solle doch die Buddha dreimal im Uhrzeigersinn umrunden, gab es eine Person, die hörig war. Tatsächlich haben wir später nicht herausgefunden, warum man das macht. Ich habe zumindest in der Zeit geschaut, wer dort so Rabatz im Wald macht, und habe Affen entdeckt.
Kurz nach Sonnenuntergang kamen wir in Hualien an und mussten noch mal tanken. Das war ein bisschen tricky, denn irgendwie musste man sich erst mit dem Handy übersetzen, was hier überhaupt zu tun ist, an der Selbsttankstelle. Das Problem war, man sollte den Startknopf drücken. Was ist eurer Meinung nach ein großer roter Buzzer? Richtig, ein Emergency Button. Aber es war wirklich der Startknopf. Der Benzinpreis übrigens 0,85 Cent.
Wir gaben unser Auto unbeschadet ab, fuhren mit dem Bus zurück zum Hotel, setzten uns in ein Plastikstuhl Straßenrestaurant, wo es gedämpfte Teigtaschen und Suppendumplings gab.