Freitag, 18. Oktober 2019

Jerusalem - 3 Religionen, eine Stadt...

Mahane Yehuda Market 

Heute ging es mitten in der Nacht aus den Federn. Geschlafen haben wir in einem kleinen Hostel in Breslau, bevor wir gegen 3 Uhr zum Flughafen aufbrachen. Wir waren extra zeitig da, weil die Einreiseformalitäten nach Israel wohl viel Zeit in Anspruch nehmen. Hier hat das niemanden interessiert. Außer einer Passkontrolle gab es keine eindringlichen Fragen.




Der Start verzögerte sich um 30 min. Trotzdem landeten wir pünktlich 10:30 Uhr auf dem Ben Gurion Airport in der Nähe von Tel Aviv. Was wird jetzt passieren? Nehmen sie uns auseinander? Stellen sie noch unangenehmer Fragen wie in den USA oder Russland? Werden sie unser Gepäck durchsuchen? Irgendwie hatten wir uns auf eine lange Immigrationszeit eingestellt. Und hätten wir nicht in der Schlange mit einer Beamtin gestanden, die sich schon mitten im jüdischen Shabbat (Ruhetag) befand, wäre das Ganze in 30 min erledigt gewesen.

Altstadtmauer 


Eine Taktik musste her, falls wir heute irgendwann nochmal den Flughafen verlassen wollen. Zu dritt kann man sich ja auch in mehreren Reihen gleichzeitig anstellen. Ab da ging es schnell. Drei gewöhnliche Einreisefragen, Blue Card ausstellen und weg waren wir. Geld holen, Chipkarte für den öffentlichen Verkehr ziehen und ab zum Bus, der am heutigen Freitag noch die einzige Möglichkeit war vom Flughafen wegzukommen. Generell fährt ab 15 Uhr nichts mehr an diesem Wochentag.
Bewachung des Tempelberges 



Die Fahrt war gemütlich. Israel präsentierte sich jedoch ganz anders, wie wir es uns ausgemalt hatten. Wälder aus einem bunten Mix von unterschiedlichen Sträuchern und Bäumen und jede Menge Grün. Binnen 35 min kamen wir in Jerusalem am zentralen Busbahnhof an. Wir freuten uns mittags schon da zu sein, um die Märkte zu besuchen, bevor die Bordsteine hochgeklappt werden.
rituelle Reinigung 



Vielleicht war es etwas zu gewagt. Wir lieben Märkte. Aber was sich hier abspielt, ist der Wahnsinn. Menschen, Menschen, Kinderwagen, Menschen. Alles feiern den Beginn des jüdischen Ruhetages, trinken Bier, gehen Pita essen und decken sich vor allem mit Lebensmitteln für das große Festmahl heute Abend ein. Von Freitag bis Samstag Abend nichts zu tun, ist eines der 10 Gebote des Judentums.
Klagemauer 



Also taten wir es ihnen gleich. Wir aßen Falafelpita und holten Getränke, bevor erst am Montag wieder jüdische Geschäfte öffnen, da Sonntag auch noch das Ende des Laubhüttenfestes (Feiertag) vor uns liegt. Wir suchten unser kleines AirBnb Apartment in den Gassen am Rande der Altstadt und machten erstmal eine ausgiebige Pause.

Wunschzettel



Western Wall Plaza 

Dann liefen wir los Richtung Altstadt. Kaum waren wir hinter dem Jaffa Tor eingetaucht, bot sich ein ganz anderes Jerusalem. Unebenes Kopfsteinpflaster, verwinkelte Gassen, Gewürze soweit die Nase reicht. Wenn man stehen blieb und sich kurz umsah, dachte man innerhalb von 30 Sekunden die ganze Welt zu erleben. Da waren die unzähligen Soldaten und Polizisten mit Maschinengewehr im Anschlag, die den Tempelberg bewachten, so dass niemand Nichtmuslimisches hinauf gelangt. Wenig später bogen russisch-orthodoxe Christen mit Kreuzen in der Hand um die Ecke, die den Leidensweg Jesu liefen. Allen voran die Juden in ihrem Sonntagsanzug und dem imposanten Schtreimel, ein pelzbesetzter großer Hut. Die Frauen haben teilweise ihre Haare rasiert und tragen wunderschöne Perücken und eher konservative, aber hübsche Kleider. Und zwischen all diesen Religionen dürfen die burkaverhüllten Muslime nicht fehlen. 

Es ist schon ein überwältigender Anblick, alleine die Menschen zu beobachten, die sich Jerusalem als ihren heiligen Ort auserkoren haben. Das ganze wurde zum Sonnenuntergang nur noch vom Treiben an der Klagemauer übertroffen: geschätzte 5000 Menschen pilgerten an die Mauer um zu beten, aus der Tora zu lesen oder kleine Zettel mit Wünschen in die Ritzen der Steine zu stecken. Als zum Sonnenuntergang oberhalb der Mauer der Muezzin vom Tempelberg zum Gebet rief, tanzten darunter Hunderte singend zur Begrüßung des Shabbats und dem Gedenken an das Laubhüttenfest. Deswegen ist es hier nämlich auch so voll. Jeder möchte bei diesem hohen Feiertag in Israel sein. 


Wir verzogen uns wieder in ruhigere Gefilde, hoch in die kleinen Gassen mit Blick auf die Western Wall Plaza. Auch als nicht religiöser Mensch ist es sagenhaft hier zu stehen. Im christlichen Viertel gab es noch Shakshuka und Hummus, bevor wir ziemlich erledigt ins Bett fielen.