Dienstag, 4. Juni 2019

Die Hölle, Italien oder doch Krakau ?

Gedenkstätte Auschwitz

4 Tage frei – und was bietet sich da an? Ein Wochenendtrip ins wunderschöne Polen. So wunderschön war unsere erste Begegnung mit der Woiwodschaft Kleinpolen nicht. Denn unser Ziel war das Konzentrationslager in Auschwitz. Nach einer Nacht in einem hübschen Bed and Breakfast am Rand des Zentrums, waren wir bereits 7:00 Uhr an den Toren des Schreckens.
symbolträchtig


Birkenau



Rynek Glowny















Das KZ Auschwitz kostet keinen Eintritt, aber man ist gut beraten, sein Ticket vorab zu buchen. Wenn man erst am Vormittag dort ankommt und die vielen Gruppenreisenden durch die Anlage marschieren, muss man mit langen Wartezeiten, auch an den Ticketschaltern rechnen. Wir entschieden uns für eine Reservierung um 7:30 Uhr. Einen Guide buchten wir nicht. Angeboten werden kurze Touren von 3,5 Stunden für Auschwitz und Birkenau zusammen, was eher einem Schnelldurchlauf nahe kommt. Eine weitere Tour wäre 6 Stunden.
Tuchhallen Krakau




St. Adalbert Kirche
Tuchhallen
Wir waren froh am frühen Morgen noch fast alleine in der Gedenkstätte zu sein, ohne eine Reisegruppe. Die Tafeln sind in Englisch, Hebräisch und Polnisch ausgeschrieben, so dass sich alles selbst erschließt. Es war ein gruseliges Gefühl hier zu sein, wo unzählige Menschen um ihr Leben gebracht wurden. Man wandelt durch die Anlage schon fast in Trance, versucht seinen schockierten Gesichtsausdruck zu unterdrücken und keine Träne zu vergießen. Eine Baracke, wo einst Gefangene menschenunwürdig gehalten wurden, war am beeindruckensten: 

St. Barbara Kirche 



Maly Rynek


















Der Eingang war nicht damit gekennzeichnet, was einen erwarten würde. Man kam hinein und der komplette Raum war mit Bildschirmen tapeziert, auf ihnen waren glückliche Familien, jüdische Familie, aus ganz Europa zu sehen, wie sie Feste feiern, lachen und einfach nur glücklich sind. Von den Räumlichkeiten über uns drang laute NS Propaganda vom damaligen Regime. Es war erschreckend. Ein tiefer Raum mit riesigen Monitoren an der Decke suggerierte dem Volk die „Vernichtung des lebensunwerten Lebens“ und Hunderttausende bejubelten dieses Vorgehen.

Lody - Eis in zig Variationen

Wawel Hügel mit Weichsel


Wir fuhren noch 2 Kilometer weiter ins Arbeitslager nach Birkenau.  Hier verkehrt auch ein Shuttlebus, aber leider erst ab mittags. Birkenau ist ein riesiges Areal und war das Tor zur Hölle, für die mit dem Zug ankommenden Juden. Ihr gesammelten Hab und Gut von Töpfen, Gebetstüchern und persönliche Gegenständen, sind in aufgeschütteten Haufen, in einer riesigen Vitrine, in der Gedenkstätte Auschwitz aufgebahrt.
Relaxen unterhalb der Kathedrale

asiatische Selfie Time

Burg Wawel

Streetfood überall


Man verlässt dieses Ort nicht ohne nachzudenken und zu hoffen, das sich dies nicht wiederholen wird. Mit großen Buchstaben steht in Auschwitz durch den italienischen Schriftsteller und Holocaust Überlebenden, Primo Levi, geschrieben: „It happend, therefore it can happen again: this is the core of what we have to say.“

Rathaus von Krakau

Wir brauchten Sonne und etwas Ruhe für unser Gemüt. Doch an beides war an diesem Nachmittag nicht zu denken. Es waren 14 Grad und es regnete, als ob der Himmel weinte. Trotzdem setzten wir unsere Fahrt nach Krakau fort, welches 1 Stunde Fahrzeit von Oświęcim entfernt liegt. Dort bezogen wir ein fantastisches, neues, modernes und total gemütliches Studio am Rande der Altstadt.

Sonnenuntergang an der Weichsel


Wir mussten unter Leute, wieder zu uns finden. Das taten wir auch. Mit der Straßenbahn, die auf unzähligen Strecken durch die Stadt verkehrt (48 Stunden Ticket für 26 Zl, ca. 6€), kommt man schnell von A nach B. Unser erstes Ziel war natürlich der Altstadtkern mit seinem Hauptmarkt, der mit 40.000 Quadratmetern zu einem der größten mittelalterlichen Plätze Europas gehört. Hier befinden sich geschichtsträchtige Gebäude, wie eine Tuchhalle, Kirchen und Palästen aus mehreren Epochen. Und wenn man vergessen hat, wie man hier gekommen ist, glaubt man nicht in Polen zu sein. Krakaus Stadtkern gleicht eher einem Ort am Mittelmeer mit starken jüdischen Einflüssen. Nur am Rand stehen noch Häuser, die eher dem ehemaligen Ostblock zuzuschreiben sind.


Kirche der Dreifaltigkeit 



Krakau war einst die Hauptstadt Polens und gilt heute noch als eigentliches Zentrum des Landes. Sie beherbergt heute die älteste Universität Polens. Krakau ist nicht nur eine Studentenstadt mit einer jungen Kneipen und Barszene, auch ist sie Hotspot für Junggesellenabschiede, vor allem britischer Touristen. Ob diese Tatsache dem Image von Krakau Aufschwung bringt, ist fraglich. Störend sind die grölend lauten Kerle allemal für die, die dieses schöne Fleckchen Erde in vollen Zügen genießen wollen.
Tuchhalle



Mit Genuss ist vor allem das gastronomische Angebot gemeint. Unzählige Cafe´, hippe Läden, Frühstückslokale und Terrassenrestaurants bestärken das junge mediterrane Ansehen der Stadt. Hier weiß man zu leben. Dazwischen findet man kleine Schotterplätze, wo sich Food Trucks niedergelassen haben. Ein paar Sitzgelegenheiten und Lichterketten dazu und schon kann man es sich in einer lockeren Atmosphäre bei Fritten, Tacos, Baumstriezel, Burger, Zapiekanka (getoastetes Baguette mit Käse und Zutaten nach Wahl) und selbstgemachter Limonade gut gehen lassen. Der Alkoholkonsum auf Polens Straßen ist übrigens verboten. Aber nicht jeder hält sich daran.



Am zweiten Tag unseres Krakau Besuchs war endlich schönes Wetter. Die Eisdielen, wobei es 10 Läden im Umkreis von 500 Metern gibt, haben Hochkonjunktur und wir verbrachten ein paar schöne Stunden am Ufer der Weichsel. Ab und zu hielt ein Touristenbus und kippte 40 Menschen aus, die sich für ihre Selfies aufreihten, aber schnell wieder weiter zogen – wahrscheinlich zum Wawel, der auch unser nächstes Ziel war.



Auf dem 228 Meter hohen Kalksteinfelsen befinden sich deine Burganlage, Kathedrale und weitere historische Bauten der königlichen Herrschaft von insgesamt über 750 Jahren und ist heute UNESCO Weltkulturerbe. Von hier oben hat man eine tolle Aussicht auf den Fluss und das grüne Krakau. Rund um die Innenstadt befindet sich nämlich der Planty Park, der sich 4 Kilometer wie ein Gürtel um den Altstadtkern zieht.


Zapiekanka mit Bergkäse und Cranberry








Und wenn man den Trubel, der durch eine Menge Schulklassen noch bestärkt wird, sucht, gelangt man über unzählige kleine Gassen zurück in die Altstadt. Teilweise war auf dem Hauptmarktplatz aber so viel los, dass wir es bevorzugten uns fernab der vollen Straßen aufzuhalten und vor allem zu essen. Um den Rynek befinden sich nämlich auch fast nur italienische Restaurants, die auf Touristenfang gehen. Dann lieber gut bürgerlich polnisch mit Pirogen und Gulasch. Oder nach Kazimierz, ins ehemalige jüdische Viertel, welches nichts mit der Altstadt gemein hat. Und auf dem Heimweg wird noch mal an einem Zabka angehalten.


Zabka! 

Kazmierz - ehemaliges jüdisches Viertel
















Dies ist das Pendant der asiatischen 7-Eleven Convenience Stores, wo man alles bekommt, was man schnell mal braucht. Drogerieartikel, Lebensmittel, Fertiggerichte, Medikamente, Getränke etc. Wir haben uns täglich mit Eiskaffee eingedeckt. In der Tiefkühltruhe holt man sich einen Becher mit Eis und füllt ihn an der Kaffeemaschine für 6 Zl (1,40€) auf. Wenn der Müll nicht wäre. Trotzdem sind diese Läden ein Gewinn und in jeder polnischen Stadt unzählig zu finden.




Eigentlich wollten wir noch in Oskar Schindlers Emaille Fabrik. Allerdings sollte man hier sein Ticket ebenfalls vorab kaufen. Als wir 10:30 Uhr dort waren, gab es nur Zeittickets für 13:00 Uhr. Und 2,5 Stunden zu warten, abseits des Stadtzentrums, war uns zu lange. Dann gingen wir eben in den botanischen Garten, der obwohl er nicht so groß wie der in Breslau ist, trotzdem einen Besuch wert ist.
botanischer Garten



Nach 3 Tagen in der zweitgrößten Stadt Polens reisten wir wieder ab. Wir waren überrascht von Krakau. Es gleicht keiner der anderen polnischen Städte, die wir bisher besucht haben. Sicherlich sind die Marktplätze überall gleich angelegt, aber das Flair ist hier ein anderes. Auch der Tourismus ist hier wesentlich ausgeprägter als in Warschau. Uns hat es sehr gut gefallen und wir werden nicht zum letzten Mal hier gewesen sein.