Sein Frühstück am Meer in der netten Gesellschaft, die wir heute hatten, einzunehmen, während Schildkröten im Wasser schwammen und ab und zu ihre Köpfe herausstreckten, ist unbezahlbar.
Gleich am Morgen nahmen wir den Bus und fuhren ein ganzes Stück Richtung Süden. Angekommen in Weligama begrüßte uns ein imposanter Baum, schwer behangen mit Jackfrüchten. Auf der anderen Straßenseite hingen Flughunde kopfüber in den Ästen. Sri Lanka ist und bleibt ein Traum.
Weligama ist fest in der Hand westlicher Touristen. Viele von ihnen versuchen sich hier, meist illegal mit Rollern im verrückten Verkehr dieses Landes. Illegal deshalb, weil man in Sri Lanka eigentlich einen sri-lankischen Führerschein braucht. Und Roller mit 125 ccm aufwärts darf man sowieso nur mit entsprechender Fahrerlaubnis fahren, die viele nicht einmal zu Hause besitzen.
Weligama ist ein klassischer Surferort. Für Anfänger sicher ideal. Für Fotografen dagegen sind die Wellen eher zu flach. Wir machten noch einen Strandspaziergang, dann zog es uns wieder weiter. Also stiegen wir in den nächsten Bus und fuhren nach Mirissa.
Als wir ankamen, mussten wir erst einmal Geld holen. Es gibt hier ein paar Banken ohne Gebühren, die wir gezielt ansteuerten. Da wir in den nächsten Tagen einiges bezahlen müssen und Kartenzahlung fast nie möglich ist, nahmen wir uns vor, etwas mehr abzuheben.
Zunächst lief alles ganz normal bis der Automat plötzlich kein Geld ausspuckte. In unserer Banking-App erschien die Buchung jedoch als erfolgt. Wir kamen mit ein paar anderen ins Gespräch: Bei ihnen war der Vorgang abgebrochen worden, in der App stand „canceled“. Bei uns nicht.
Sollte dieser Automat nun wirklich der Meinung sein, wir hätten Geld erhalten, obwohl wir keins bekommen haben, dann wäre das ein sehr, sehr teures Weihnachtsgeschenk gewesen.
Stellen wir uns zusammen die Situation vor, wie furchtbar es ist, wenn man genau in diesem Moment, völlig frustriert und ohne zu wissen, ob man sein Geld jemals wiedersehen wird, von gefühlt 5000 Tuk-Tuk-Fahrern angesprochen wird, die alle wissen wollen, wohin man möchte und ob sie einen mitnehmen sollen.
Wir brauchten erstmal Ruhe und zogen uns an diesen wunderschönen Strand zurück mit weißem Sand, türkisfarbenem Wasser und endlos hohen Palmen. Einfach kurz raus. Durchatmen. Pause. Als wir dann auch noch feststellten, dass unsere Kamera einen kleinen Defekt hatte, den wir gerade nicht reparieren konnten, war das Weihnachtsfest endgültig auf seinem Höhepunkt.
Was hilft in solchen Momenten: bergauf gehen. Wir entdeckten Treppen und liefen und liefen in der Mittagshitze hinauf zu einem Tempel in der leisen Hoffnung, dass oben vielleicht ein bisschen spirituelle Erleuchtung auf uns wartet und wir danach entspannter wieder hinuntergehen können.
Und ja, wir gingen auch wieder runter. Die Aussicht von oben auf die Bucht war grandios. Als wir es irgendwie hinbekommen hatten, unsere Kamera wieder funktionstüchtig zu machen, war die Stimmung sofort eine ganz andere. Vielleicht lag es aber auch einfach an der dörflichen Atmosphäre hier oben in den Hängen von Mirissa.
Nachdem wir etwas zu Mittag gegessen hatten, liefen wir zur Bushaltestelle und suchten uns den nächsten Bus zu unserer heutigen Unterkunft. Wenn der Busfahrer hier sagt „renn“, dann rennst du. Eigentlich musst du schon im Bus stehen, bevor er anhält und wieder draußen sein, bevor er den Zielort erreicht.
Diese Busfahrt hatte es wieder richtig in sich. Ich saß zum Glück ganz gut und habe nicht allzu viel gesehen. Aber plötzlich fuhr der Fahrer mit vollem Karacho, wie schnell genau weiß niemand, der Tacho funktionierte natürlich nicht, Slalom um die Tuk-Tuks. Wir waren uns ziemlich sicher, dass kurz die Bodenhaftung nicht mehr funktionierte. Vorne saßen mittelalte einheimische Frauen, die den Busfahrer auch noch anfeuerten, doch bitte noch schneller zu fahren. Eine verrückte Kultur.
Nachdem wir diese Busfahrt irgendwie überlebt hatten, landeten wir in einem kleinen, idyllischen Dorf. Genau das sind immer wieder die schönsten Strecken hier in Sri Lanka – ruhig, einfach, fast unscheinbar. Wollt ihr etwas völlig Skurriles vom Dorf wissen? Die Straßenlaternen haben hier tatsächlich Lichtschalter. Man kann sie bei Bedarf einfach an- und ausknipsen.
Wir kamen an einem wundervollen Gästehaus an einem ruhigen, traumhaften Strand an, warfen unsere Sachen von uns und sprangen wie die Wilden ins Meer. Wir hatten es schließlich eilig. Nicht viel später wurden wir von Ruwindi und ihrem Vater abgeholt, um eine Bootstour auf dem Nilwala River zu machen.
Das Abenteuer riss an diesem Tag einfach nicht ab. Das Boot machte ständig Probleme, der Motor wurde immer wieder neu gestartet und soff genauso schnell wieder ab. Wir hatten einen ganzen Haufen Kinder mit an Bord, die eifrig versuchten, bei der Reparatur zu helfen.
Und während wir so mitten auf dem Nilwala River standen und warteten, lag plötzlich ein drei bis vier Meter langes Krokodil auf einem Felsen und sonnte sich. Für einen Moment dachten wir wirklich, dass wir wirklich sehr schnell als andere Ufer schwimmen müssen.
Plötzlich schoss ein Motorboot von der anderen Flussseite Richtung Felsen, machte einen Schwenk und sorgte dafür, dass das Krokodil ganz schnell wieder abtauchte. Ruwindi erklärte uns, dass diese Aktion einem anderen Tourenanbieter galt, die in enger Rivalität zueinander stehen.
Wir selbst tuckerten weiter vor uns hin mit einem Motor, der ständig ausging. Bis schließlich ein vielleicht achtjähriger Junge das Problem fand: Der Benzinschlauch steckte nicht im Kanister. So einfach. So absurd. Nachdem wir das Problem mit dem Boot behoben hatten, konnte es endlich losgehen. Mit dem leisen Schaukeln auf dem Wasser wechselten die Kinder an Bord: Ein Junge ging, ein anderer kam dazu, und schließlich stieg auch Ruwindis Vater Jaga ein – der Chef persönlich.
Der Nilwala-River entpuppte sich als wahres Vogelparadies. Über uns zogen Bienenfresser ihre Kreise, schwarze Störche standen reglos auf den Baumkronen, und hoch oben segelten Weißkopfseeadler. In der Ferne lag ein riesiges Gebiet voller Flughunde, eine dunkle, lebendige Masse in den Bäumen. Jaga meinte, das seien bestimmt zehntausend.
Woher wir Ruwindi kennen? Sie ist einfach die Tochter des Touranbieters für diesen Fluss. Wir hatten vorher ein bisschen WhatsApp-Kontakt, haben nett hin und her geschrieben, und sie meinte, sie würde uns auf der Tour begleiten.
Zu unserem Erstaunen war sie, obwohl sie schon 16 ist, noch nie mit ihrem Vater auf einer unterwegs gewesen. Sie hatte also keine wirkliche Vorstellung davon, was sie erwarten würde. Umso größer war ihr Staunen über die Tiervielfalt ihrer eigenen Heimat. Besonders lustig war der Moment, als ihr gar nicht klar war, dass es in Deutschland keine Elefanten gibt.
Wir hielten bei einem schäbigen Fischverkauf direkt am Fluss. Zunächst verstanden wir gar nicht, was hier eigentlich passierte. Jaga meinte nur beiläufig, dass hier immer ein großes Krokodil sei. Vor uns stand ein Bretterverschlag mit einem Bootsanleger, der seine besten Zeiten längst hinter sich hatte. Erst nach und nach begriffen wir, dass dort direkt daneben ein gigantisches Krokodil lag, reglos, geduldig, und sich hin und wieder Fischreste einverleibte. Wir standen also keine zwei Meter von diesem gefährlichen Raubtier entfernt und sahen zu, wie Blut langsam an seinen Zähnen entlanglief.
Unser Boot nahm Fahrt auf, und wir glitten hinein in Gebiete, in denen es wirklich nur noch Natur gab, keine Dörfer mehr, keine Menschen. Als Jaga Gas gab, stand der kleine Junge am Rand des Bootes. Plötzlich verlor er den Halt und konnte sich im letzten Moment am Dach festklammern. Es hätte perfekt zu diesem Tag gepasst. Und im ganzen Fluss soll es ohnehin nur etwa fünfzehn Krokodile geben. Wir denken, er hätte es überlebt.
Bei diesen Touren wird immer das gleiche Flussufer angefahren. Dort gibt es ein paar wilde Kerle, die genau wissen, wann das Boot kommt und mit was es kommt - Früchte. Es geht um Affen.
Wir hatten vorher eigentlich gesagt, dass wir keine Affen füttern wollen. Ruwindi konnte gar nicht verstehen, warum wir das so entschieden ablehnen. Vieles wurde uns erst im Nachhinein klar. Zumindest haben wir uns nicht an der Fütterung beteiligt, sondern nur zugeschaut, wie die Affen sich eine Banane nach der anderen reinschaufelten und sich in jede Ecke des Mundes etwas für später stopften. Jaga erklärte uns, dass sie längst konditioniert seien, obwohl sie all diese Früchte auch in ihrer natürlichen Umgebung finden würden.
Warum hier in all dem kein Problem gesehen wird, wenn es um Tiere geht? Dass Schildkröten mit Seetang angefüttert werden, Elefanten im Nationalpark verfolgt werden, Boote direkt auf Blauwale zufahren und Affen mit Bananen versorgt werden – all das lässt sich eigentlich einfach erklären: mit der Bedürfnispyramide.
Menschen haben grundlegende Bedürfnisse, die erst erfüllt sein müssen, bevor Raum für etwas Höheres entsteht. Dieses „Höhere“ existiert hier in Sri Lanka oft gar nicht. Für viele ist es völlig normal, Geld zu verdienen und Touristen glücklich zu machen – so gut es eben geht. Wir sind privilegiert. Wir können uns leisten, diese ethischen Fragen über Tiere zu stellen. Sie können es nicht.
Es war also eine ziemlich verrückte Bootsfahrt. Ständig wurden Kinder hinein- und wieder hinausgereicht. Ich hatte am Ende vermutlich mehr Ahnung von den Tieren als Ruwindi und erklärte ihr, wie dieser oder jener Vogel heißt. Wir hatten vergessen, dass Motorboote mit Benzin fahren und der kleine Junge wäre beinahe von Krokodilen gefressen worden.
Aber wisst ihr was? Es war ein tolles Weihnachten. Und wir Mädels hatten zu Dritt wirklich richtig viel Spaß. So viel gelacht haben wir schon lange nicht mehr. Man merkt, dass Glück über Grenzen hinausgehen kann. Es war total schön, über unsere unterschiedlichen Leben zu reden, zuzuhören und gemeinsam zu lachen. Heute haben wir Sri Lankesen das deutsche Konstrukt von Weihnachten beigebracht.
Nachdem die beiden uns wieder zu unserem Gästehaus gebracht hatten, genossen wir den Sonnenuntergang von unserem Balkon aus, während unter uns selbstsichere Profi-Surfer über die Wellen rauschten. Auf dem Nachbargrundstück leuchteten bereits idyllische kleine Tische und Lichterketten auf, ganz klar ein Ort für ein Weihnachtsessen.
An Essen war allerdings kaum zu denken. Ich robbte ständig mit der Kamera durch den Sand. Das ganze Gelände war voller Einsiedlerkrebse und zwar nicht von der kleinen Sorte. Sie schleppten Muscheln mit sich herum, so groß, dass man sich fragte, ob nicht eine Hütte statt eines Wolkenkratzers gereicht hätte. Das Schöne daran, Sie siedeln sich wirklich überall an. Einer von ihnen trug einen Flaschendeckel mit sich herum.
Unser Leben ist verrückt. Da sitzen wir an Heiligabend am Strand, aus den Lautsprechern tönen die Bellamy Brothers mit Countrymusik, wir essen Ananassalat, und hin und wieder steigt ein Krebs über unsere Füße. Tolles Leben.











































