Dienstag, 11. April 2023

19:29 Uhr - Iftar in Sarajevo…

 Bosnien Herzegowina 





Der Morgen begann wunderbar am Ufer der Neretva mit Blick auf die Stari Most. Wir genossen das beste Frühstück in Mostar auf einer Terrasse mit der besagten Aussicht. Es ist so friedlich hier morgens wie alles erwacht: die Händler stellen ihre Ware raus, die Kellner decken ihre Tische ein und kaum Menschen unterwegs. Man kann gar nicht so recht in Worte fassen, wie man sich hier fühlt. Auf jeden Fall nicht von dieser Welt. Alles wirkt wie eine Filmkulisse, ist es aber nicht. 

 


Jablanica









Wir packten zusammen und verließen Mostar in nördliche Richtung. Sobald du aus der Altstadt hinaus fährst, siehst du noch Ruinen zerbombter Häuser oder das Scharfschützenhaus, ein ehemaliges Bankgebäude, welches aufgrund seiner Höhe den Überblick verschaffte, der nötig war. 

 


Konjic





Überall an der Straße steht Polizei. Entweder zur Dekoration oder um Autos rauszuziehen. Uns erwischte es bisher nicht. Wir fuhren durch Ortschaften, hohe schneebedeckte Berge, immer entlang der türkisfarbenen Neretva. Eine tolle grüne, blühende Landschaft. 

 





Der Schweinegrill weicht dem Lammgrill und immer mehr Minarette spicken die Landschaft. Wir hielten in Jablanica und besichtigten die alte eingestürzte Eisenbahnbrücke aus dem zweiten Weltkrieg. Wie befremdlich, dass Kindern neben den alten Haubitzen im Rasen spielen. 

 



Wir kamen Sarajevo immer näher und befuhren die großen Außenbezirke mit ihren sozialistischen Wohnkomplexen, die schon ewig ihre besten Jahre hinter sich hatten und übersät waren von Einschüssen. Hin und wieder stehen prunkvolle Paläste, Kirchen bzw. Moscheen und moderne Glasbauten am Wegesrand. Sarajevo ist so was von zwischen heute und gestern. Kontrastreicher geht es kaum. 

 





Sarajevo ist größer als man denkt, obwohl die Stadt nur ca 275.000 Einwohner zählt. Wir suchten ein Parkhaus nahe der Altstadt und machten uns zu Fuß weiter bergauf zur Seilbahnstation. Zebrastreifen sind hier übrigens nur eine Empfehlung. Wir nahmen die Bahn auf den 1160 Meter hohen Hang des Trebevic. Diese war übrigens auch nach dem Bosnienkrieg vollständig zerstört. Oben stehen noch ein paar alte Gondeln mit der Aufschrift der olympischen Winterspiele von 1984. 

 




Genau die Olympischen Spiele waren auch das Ziel der Bergfahrt. Denn hier oben findet man noch die alte Bobbahn, welche mit ihren Graffitis ein tolles Fotoobjekt ist. Zwei Mädchen aus einem Land, was nicht mehr existiert, laufen also auf einer Bobbahn, die in einem Land stand, was nicht mehr existiert. Hier oben im ehemaligen Jugoslawien hat einst Wolfgang Hoppe mit der DDR Gold bei Olympia geholt. 8 Jahre später schlugen die Bomben ein, 30 Jahre später sind wir hier.

 

Der harmlose Teil. 



Es war ein beeindruckendes Erlebnis, ohne Frage. Der Rest, naja reden wir nicht darüber. Vielleicht sollten wir es einfach lassen Berge mit Seilbahnen hochzufahren und versuchen runterzulaufen. Es geht wie immer schief. Der Weg war kein Weg und glich eher einem völlig ausgewaschenen Abhang, den wir aber rutschenderweise gemeistert haben. Die Schuhe sind pampig, aber wir unverletzt. 

 





Als wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten, liefen wir durch dörfliche Berghänge mit allerlei bosnischen Einfamilienhäusern. Wir lieben sie ja die Wege abseits der ausgetretenen Pfade. Warum? Weil sie so überhaupt nicht aufgeräumt sind. Hast du eine Vorstellung von Bosnien, dann wird sie hier wahr. Das einzige idyllische waren die Apfelblüten an den Bäumen. 

 




Wir bezogen unser Altstadthotel und brauchten dringend Pause. Draußen hallte Musik, die die 90er Jahre niemals überschritten hatte, mit dem Klang des Muezzin. Sarajevo ist Wahnsinn. Etwas, was wir so noch nie erlebt haben. 

 





Wir liefen durch die Altstadt, um etwas zu Essen zu suchen. Viele Tische waren bereits mit Limonade und Datteln eingedeckt. Es war kaum noch möglich einen Platz nach 19 Uhr zu bekommen. Warum? Es ist Ramadan und gegen 19:30 Uhr beginnt das Fastenbrechen. Allerdings erwischten wir noch einen Platz in der Menge und waren 30 min später sprachlos und überwältigt. 

 




Während wir unser Lamm spachtelten, wurden um uns die Tische gedeckt und Menschen nahmen Platz. Nach und nach wurde Brot hinzugefügt, später Suppe aufgetan. Man salzte und rührte. Aber nichts wurde zum Mund geführt. Auch keine Getränke. Es war wie ein riesengroßer Spannungsbogen, der 19:25 Uhr mit einem großen Feuerwerkskörperknall seinen Höhepunkt erreichte. Iftar beginnt mit dem Sonnenuntergang und jeder um uns griff zum Besteck und spachtelte das Essen rein. 

 




Was für ein Moment. Die Jungs neben uns wussten gar nicht, ob sie zuerst essen oder rauchen sollten. Alle waren so glücklich und ausgelassen. Es war ein ganz besonderer Moment. Für alle. Für die, die essen durften und für uns, die das erleben durften. Übrigens ist die Altstadt auch wunderschön mit Lichterketten geschmückt. Wenn man sie erkennt. Sarajevo liegt im Grillnebel.