Samstag, 20. Juli 2024

Ring of Fire …

km 10.879 – Crawford Bay, BC bis Nakusp, BC


Als wir morgens 5 Uhr aufwachten, waren bereits 20 Grad Celsius draußen. Es war also die perfekte Gelegenheit die morgendliche Wäsche auf den See zu verlegen. Das Wasser hatte fast Badewannentemperatur und es war wunderbar beim Sonnenaufgang im Kootenay Lake zu liegen.





Wir fuhren los. Es roch nach frischem Gras. Ein wohltuender Geruch, wenn man bedenkt, welcher uns am heutigen Tag noch erwarten würde. Wir kamen im kleinen Ort Crawford Bay an. Dort sollte uns eine Stunde später eine große Fähre über den See schippern. Wenn man die Temperaturen reduzieren würde und die Überfahrt 10€ kosten lassen würde, anstatt umsonst zu fahren, hätte man sich in dieser Gegend in Norwegen wägen können. Natürlich an einem Fjord und nicht an einem See. Aber aus unserer Perspektive machte es, aufgrund der Größe, keinen Unterschied.





Am anderen Ufer angekommen, war es der perfekte Ort zum Leben mit idyllischen Grundstücken. Holzhäuser stehen auf einer großen saftigen Wiese mit freier Sicht zum See. Dort sind Sandstrände und kleine Bootsstege. Es ist wirklich perfekt hier. Du hast alles, was der Sommer für dich bereithält vor der Nase.




Wir kamen in den Kookanee Creek Provincial Park, ein nächstes kleines Paradies, aber auf eine ganz andere Art und Weise. Es gibt einen großen Campingplatz, viel Strand und einige Trails. Im Naturzentrum gibt es Rangerprogramme für jedes Alter. Kleine Kinder saßen da und lernten etwas über Eulen kennen. Größere Kinder saßen an Schulbänken und beschäftigten sich mit Bienen. Abends war ein Fledermaus-Biologe geladen. Auf den Wanderwegen, die voll mit Himbeeren und gigantischen Bäumen waren, erfuhren wir einiges zu den Lachsen und Bären, die es hier gibt. Man kann sich Kanus und SUPs ausleihen oder einfach schwimmen gehen. Ein wirklich toller Ferienort für gerade mal 14€ am Tag für die Übernachtung. Ein Hoch auf Kanada.




Unser nächster Halt war in der Stadt Nelson. Was für eine Schönheit. Es war gemütlich mit hübschen Cafés, Gallerien, Bäckereien und kleinen Läden. Die Häuser sahen aus wie aus alten Westernfilmen und Blumenkübel hangen an den Laternen. Das Beste waren die vielen bemalten Auswände, die Nelson zu einem Kunstwerk machen. Wir wollten die Stadt zu Fuß entdecken. Die  eigene App für die Murals fanden wir im Internet. Alle Punkte waren mit deren Beschreibung eingezeichnet und man hatte sogar Audioaufnahmen zu den Künstlern und deren Instagram Seite.





Als ich die Tour geplant habe, war es lediglich das Ziel über Umwege nach Vancouver zurückzukommen. Mir war vorher nicht bewusst, in welche schöne Gegend wir uns hier bringen würden. Internationale Touristen gibt es hier selten. Es ist eher die Ostsee oder der Schwarzwald der Deutschen, also alles Besucher aus British Columbia. Demnach ist dieser Teil Kanadas völlig unterschätzt. Man muss allerdings die Hitze mögen. Heute hatten wir 39 Grad Celsius.




Nach Nelson wurde es wieder etwas einsamer, waldiger und bergiger. Wir kamen an einigen Städtchen entlang, wobei eines schöner war als das andere im Stil der 40er Jahre mit Holzbauten, die wie ein Saloon aussahen und alten rostigen Stahlbrücken. Beeindruckend war auch die Industriestadt Trail. Die Schornsteine der Bleifabrik wirkten wie Minarette, die am Columbia River empor stiegen.





In Castlegar gab es eine besondere Initiative – shop, eat, play where you live. An den Laternen hangen große Wimpel mit den ortsansässigen Geschäften und Firmen. Darauf waren die Menschen dahinter und ein Verweis, dass man sie in dem oder dem Laden kennenlernen kann. Tolle Aktion.




Wir fuhren weiter nach Norden und hielten an einer Tankstelle, wo wir nur kurz eine Unterhaltung aufgeschnappt hatten: großes Feuer, Evakuierung. Auf unserer Strecke? Keine Ahnung. Hier gab es kein Internet. Auch die folgenden 30 km nicht mehr. Irgendwann sahen wir es. Es brannte ringsherum im 180 Winkel in den Hängen im Umkreis von ca. 25 Kilometern. Überall stiegen Rauchsäulen in den Himmel und man sah die Flammen lodern. Umso näher wir kamen, umso fataler wurde es. Wir konnten uns ohne Internet aber nicht orientieren.




In einem kleinen Ort war kurz Netz und es sah so aus als ob wir die einzige Straße, die auf unserem Weg liegt, fahren können. Irgendwann landeten wir an einer Baustelle mit einem Stoppschildhalter. Er wusste auch noch nicht, ob die Strecke überhaupt noch passierbar ist. 10 min später mussten wir alle umdrehen. Besser war es. Es sah wirklich aus wie in einem Actionfilm als die Wasserbomber aus der größten Rauchsäule flogen. Nicht etwa einer, nein 2, 3, 4, 5 flogen zurück zum See, um aufzutanken. Es war erschreckend. Allerdings ist ein Tropfen auf dem heißen Stein, im wahrsten Sinne.




Wir hatten keinen Plan wie es weitergehen soll. Dies war die einzige Straße weit und breit. Wir mussten zurück. Doch wohin? An der us-amerikanischen Grenze war nichts zu sehen. Wieder alles zurück wäre Irrsinn. Wir brauchten Internet und traten erstmal den Rückzug an. Als wir nach fast 50 km wieder Empfang hatten, konnten wir endlich eine Entscheidung treffen, da angezeigt war, wie weit die Straße gesperrt war. Es gab also einen Ausweg. Dieser war 250 km lang.




Kurz über der Sperrung konnte man wieder auf die Straße. Dazu waren 3 Stunden Umweg nötig, über eine sehr anspruchsvolle und anstrengende Straße am Kootenay Lake entlang und dann über ein kurvenreiches Waldgebiet quer durch die Berge. Es war 16 Uhr und wir bildeten uns ein, dass wir das schaffen könnten. Was uns erwartete, wussten wir nicht, weil auch nördlich dieser Strecke überall Flammen loderten.





Vor einer Stunde war noch unser größtes Problem, wo wir eine schöne kalte Cola mit Eiswürfeln herbekommen, nun war das einzige Ziel das Inferno zu durchqueren und genauso fühlten wir uns 2 Stunden später als wir das gesamte Ausmaß sahen. Es war fürchterlich anstrengend. Der Himmel verdunkelte sich zunehmend. Die Sonne war ein feuerroter Ball, der über uns stand. Um sie herum alles in einem rosa-orangenen Himmel. Die Temperaturen sanken auf 22 Grad. Die Sonne schaffte es durch den Rauch nicht mehr auf die Erde zu treffen und ihre Strahlen färbten die Partikel in der Luft in diese gruselige Farbe.

30 min später 



Nun brannte es links von uns, rechts von uns vor uns. Wir hatten keinen Handyempfang, um zu schauen, ob nun auch die obere Zufahrt auf die Straße gesperrt ist, weil das Feuer sich noch rasender ausgebreitet hatte. Keine Angst, wir waren nie wirklich in Gefahr. Wie schnell ein Feuer allerdings wächst, konnten wir sehen als wir am Nachmittag zurückfuhren und der kleine Brand am Beginn bereits riesig wurde.



In New Denver haben wir es geschafft, raus aus dem Wald zu sein am rettenden Ufer des  Slocan Lakes, die Hänge in Rauchsäulen. Genau hier war auch die Straße nach Süden geschlossen. Wir hatten wirklich Glück, dass dieser Plan am Ende aufging und wir uns entschieden die 250 km Umweg zu fahren. Es waren 20 km die uns von diesem Punkt am Nachmittag getrennt haben. Gegenüber dem Yukon natürlich lächerlich wenig. Dort sprachen wir von tausenden Kilometern, wenn so etwas passierte.



Die letzten 60 km, um an unserem Campingplatz zu kommen, waren eine Erlösung. Wir haben es noch vor Sonnenuntergang geschafft. Die Gegend ist eine tickende Zeitbombe und wir haben genaue Instruktionen erhalten, was hier ja nicht angezündet werden darf. Nichts, gar nichts. Nicht einmal unsere Mückenspirale, die sicher zu Asche wird und in einem Gefäß raucht.