Sonntag, 12. Oktober 2025

再见 Shanghai …


Der letzte Tag ist immer dazu da, alles noch einmal zu machen, was man für lange Zeit nicht mehr haben wird – all das, was diese Reise so besonders gemacht hat.




Zuerst mussten wir noch einmal das typisch chinesische Frühstück probieren – einen Eiercrepes mit Frühlingszwiebeln. Danach schwangen wir uns aufs Fahrrad und fuhren entlang des Suzhou Creeks Richtung Westen. Hier scheint alles neu entstanden zu sein: die Uferpromenade mit Schilf, die Hochhäuser und die Parks. Eine wunderschöne Wohngegend, in der sich der Fluss entlang schlängelt. Von weitem zeigte sich bereits das 1000 Trees am linken Uferrand.





Es ist eines der beeindruckendsten Bauprojekte Shanghais. Der Gebäudekomplex sieht aus, als wäre er direkt aus einem Architekturmagazin entsprungen oder eher aus einem Dschungel. Hunderte bepflanzte Terrassen, verteilt auf mehrere Ebenen, lassen das Ganze wie einen grünen Berg mitten in der Stadt wirken. Zwischen den Betonpfeilern wachsen Bäume, Sträucher und Blumen, die sich über die Fassaden ziehen und das Gebäude lebendig machen.




Entworfen wurde das Projekt vom britischen Architekten Thomas Heatherwick, der auch für den Seed Pavilion auf der Expo bekannt ist. Es vereint Einkaufspassagen, Galerien, Restaurants und Wohnräume – und zeigt, wie futuristisch und nachhaltig Architektur in China heute gedacht wird. Ein Stück Großstadt, das atmet.




Es waren wieder 36 Grad, und wir brauchten dringend einen eiskalten Tee. Also suchten wir den nächsten Teeladen auf. Es ist wirklich ein Irrsinn: Alle 30 Sekunden trifft ein weiterer Meituan-Fahrer ein – das ist die Bestell-App hier in Shanghai - und holt einen neuen Beutel ab. Drinnen arbeiten zwölf Mitarbeiter, die den ganzen Tag nichts anderes tun als Tee zusammenzurühren.




Dass sie bei dieser Geschwindigkeit in der Ausgabe und Verpackung überhaupt noch den Überblick behalten, ist wohl nur dank der digitalen Welt möglich. Trotzdem Wahnsinn, wenn man bedenkt, wie schnell der Tee beim Kunden ankommen muss, bevor das Eis zerschmolzen ist. Was für eine Umweltbelastung und das ganze auch schon ohne Lieferdienst.





Natürlich stand auch ein letzter Tempelbesuch auf dem Plan. Im Jade-Tempel waren wir bisher noch nicht. Eine der bekanntesten, aber zugleich ruhigsten Tempelanlagen der Stadt. Zwischen duftenden Räucherstäbchen und kunstvoll geschnitzten Holztoren war es erstaunlich still. Selbst der Lärm der Stadt blieb irgendwie hinter den Mauern zurück.




Für uns ging es mit dem Fahrrad weiter quer durch die Stadt. Es war ein ziemliches Chaos heute. Sonntag ist schließlich ein freier Tag und alle sind draußen auf der Straße oder beim Shoppen. Apropos Shoppen: Flagship Stores sind die größten Geschäfte einer Marke. Was Louis Vuitton hier allerdings hingebaut hat, ist purer Irrsinn. Da hat man das Wort Flagship wohl etwas zu wörtlich genommen. Mitten in Shanghai steht tatsächlich ein riesiges silbernes Louis Vuitton-Schiff.





Wir werden die Einfachheit des Vorankommens in dieser Stadt sehr vermissen und stellten wehmütig zum letzten Mal unsere blauen Fahrräder auf dem Bordstein ab. Es war Zeit fürs Abendessen und wir entschieden uns ein letztes Mal bei Haidilao Hotpot essen zu gehen. Und auch heute war es wieder ein pures Erlebnis in diesem kleinen Mikrokosmos aus dampfenden Töpfen, freundlichen Mitarbeitern und quirliger Atmosphäre.




In diesem Laden müssen wahnsinnig viele Mitarbeitende beschäftigt sein. Jeder hat seine eigene Aufgabe. Eine Gruppe fängt dich schon draußen ab, eine andere geleitet dich zum Tisch. Wieder jemand anderes ist während des gesamten Besuchs für dich zuständig, eine weitere Person bringt das Essen. Dann gibt es jene, die alles kontrollieren und Teller geraderücken, die Abräumer, die Frau, die die feuchten Waschlappen verteilt, und schließlich diejenigen, die alles wieder auf Vordermann bringen, sobald der Gast gegangen ist. Ach, nicht zu vergessen, der Mann, der für die rohen Nudeln zuständig ist, dir vor dem Gast in alle Richtungen auseinanderzieht.





Es war wirklich wieder ein herausragendes Erlebnis. Etwa alle fünfzehn Minuten stimmten die Mitarbeiter irgendwo im Raum ein Geburtstagsständchen auf Chinesisch an, begleitet von klappernden Rasseln, die sie im Takt schwangen. Man bekommt Putztücher fürs Handy, weil die Finger irgendwann klebrig sind, einen Spritzschutz für die Tasche und eine Schürze für sich selbst. Vor seinem brodelnden Kochtopf zu sitzen und das bunte Treiben um sich herum zu beobachten, ist einfach großartig.




Wahrscheinlich standen uns nur Fragezeichen über den Köpfen. Es gibt so viele Dinge, die wir einfach nicht verstehen, die rings um uns passieren und genau das macht dieses Land so interessant. Lange Zeit durfte niemand ohne aufwendiges Visaverfahren hinein. Die große Firewall existiert im Grunde immer noch, also kommt auch kaum etwas nach außen.




China ist und bleibt für uns in vieler Hinsicht eine völlig andere Welt, in der wir manches eigenartig finden und leider vieles nicht herausfinden konnten, was es damit eigentlich auf sich hat. Wir haben zwar in den letzten neun Tagen nur einen kleinen Teil von China kennengelernt, können aber schon jetzt sagen, dass es noch ein Land ist, das erobert werden will.




Irgendwie hat man ein ganz falsches Bild von China, das einem durch die Medien suggeriert wird. Natürlich ist Shanghai ziemlich westlich geprägt, aber wer an China denkt, erwartet automatisch autoritären Gehorsam, strikte Ordnung und Propaganda. Nichts davon haben wir gesehen. Die Menschen sind zwar ein bisschen verrückt, aber im Grunde spielt sich hier dasselbe Leben ab wie überall sonst und Regeln werden hier ohnehin genug gebrochen.



Das Highlight der Innenstadt Shanghais besuchten wir heute ausgiebig zum ersten Mal am Abend. Den gesamten Bund und die Uferpromenade mit Blick auf Pudong und die Skyline der Stadt haben wir so noch nie erlebt. Warum zur Goldenen Woche, und auch heute, tausende Menschen hierher strömen, versteht man erst, wenn man den Blick über den Huangpu River schweifen lässt. Links die gigantischen, glitzernden Wolkenkratzer von Pudong, rechts die altehrwürdigen, kolonialen Gebäude des Bundes.



Dieser Kontrast ist wirklich einmalig. Auf der einen Seite das moderne, glitzernde Shanghai mit seinen schimmernden Glasfassaden und leuchtenden Türmen, auf der anderen Seite die alten Gebäude, die noch vom früheren Glanz der Stadt erzählen. Es fühlt sich an, als würde hier Vergangenheit und Zukunft direkt nebeneinanderstehen – und genau das macht diesen Ort so faszinierend.