Donnerstag, 9. Oktober 2025

Zhujiajiao - auf hölzernen Booten zurück in der Ming Dynastie …


Heute stand ein kleiner Ausflug innerhalb des Stadtgebiets von Shanghai auf dem Plan. Dafür fuhren wir sage und schreibe 55 Kilometer mit der Metro – und das ist nur ein Bruchteil des Streckennetzes, das man hier zurücklegen kann. Es umfasst ganze 830 Kilometer, denn die Stadt hat eine Nord-Süd-Ausdehnung von 120 Kilometern und eine Ost-West-Ausdehnung von 100 Kilometern. Sagenhaft!


Übrigens ist die Erinnerungsfunktion in der chinesischen Navigations-App ziemlich praktisch. Wenn du an deiner Station angekommen bist, erinnert dich das Handy mit einem halben Feuerwerk daran auszusteigen. Vermutlich, weil du ohnehin die ganze Zeit am Bildschirm hängst. Wir nicht, denn die Bahn fuhr plötzlich oberirdisch und man sah fast nur noch Grün. Was hier tatsächlich nicht zu erwarten war. Gewächshäuser, Flussläufe und ab und zu hohe Wohnsiedlungen reihten sich aneinander.




Die Shanghai Metro gibt sich wirklich Mühe mit ihrem Bordprogramm, das über kleine Bildschirme in den Zügen flackert. Dort laufen Sicherheitshinweise, in denen den Chinesen erklärt wird, wie sie sich benehmen sollen und man sieht sogar Haushaltstipps – etwa, dass man den Herd nicht unbeaufsichtigt lassen oder seinen E-Roller nicht in geschlossenen Räumen laden sollte. Leider schaut nur niemand hin. Die Konsequenz kennen wir ja.




Wir erreichten Zhujiajiao, eine Wasserstadt nahe Shanghai, und fühlten uns sofort willkommen. Es war Zeit für Frühstück, bevor wir in die engen Gassen eintauchten. Also schnell etwas an einem Straßenstand geholt und uns auf einer Parkbank niedergelassen. Während wir aßen, beobachteten wir die Einheimischen, wie sie mit Kleiderbügeln und Wäschesäcken zu den zentralen Trockenplätzen eilten.




Wir waren umgeben von sanft fließenden Kanälen, hölzernen Pavillons, kleinen Cafés und traditionellen Läden. Überall glitten Boote lautlos dahin und der Anblick erinnerte uns daran, wie diese Orte zur Blütezeit der Ming- und Qing-Dynastie gewesen sein müssen. Die engen Gassen, die Steinbrücken und die alten Häuser aus Holz und Stein ließen eine vergangene Epoche lebendig wirken.




Wir saßen auf einem kleinen Holzbalkon direkt am Wasser, tranken einen Kokosnuss-Latte und einen eisgekühlten Passionsfrucht-Tee und beobachteten die Boote, wie sie gemächlich durch die Kanäle glitten. Es war friedlich, warm und so schön, dass man am liebsten einfach den ganzen Tag sitzen bleiben wollte.




Witzig war, dass es selbst in dieser anmutigen alten Wasserstadt Stationen für Powerbanks gab. Allerdings befanden sie sich in liebevoll gestalteten Holzkästchen, die wie kleine Stelzenhäuser aussahen. Weniger liebevoll und eigentlich nur aus skurrilen Social-Media-Videos bekannt, gab es hier Läden, in denen man sich eine (un)professionelle Ohrenreinigung mit Microkameras antun konnte. Das Schlimmste daran: Auf dem großen Bildschirm draußen konnte jeder live im Ohr dabei sein, wie herumgestochert wurde. Igitt, igitt.




Die kleinen Läden am Kanal waren hübsch, trafen aber eher den Geschmack der Chinesen. Für uns war es teilweise ziemlicher Kitsch. Oder wollt ihr Haarspangen als Schweinebauch und Dumplings tragen? Die Preise allerdings waren erstaunlich niedrig. Schließlich ist alles lokal produziert, eben Made in China. Ein Geschäft weckte besonders unsere Aufmerksamkeit. Ähnlich wie in Taiwan fand man dort unzählige kleine chinesische Szenerien und Spieluhren aus Holz.




An der Fangsheng-Steinbrücke brauchte es drei Security-Mitarbeiter, um die Chinesen vor dem sicheren Tod zu bewahren – oder eher davor, dass sie von der Brücke kippen, wenn sie wieder versuchten, irgendwelche obskuren Fotos zu machen. Denn eine richtige Begrenzung nach unten gab es kaum.




Wie man es aus vielen Teilen Asiens kennt, kann man sich auch hier traditionelle Kleidung ausleihen, wird geschminkt und kann sich fühlen wie in einer vergangenen Zeit. Dann schlendert man durch die alten Gassen, posiert auf Brücken oder am Wasser und macht unzählige Fotos von sich. Also die anderen machen das. Wir natürlich nicht.




Dieser Moment, wenn du mit Schrecken feststellst, dass deine Tasche offensteht und das schon seit mehreren Minuten und dann schwitzend realisierst, dass du ja in China bist. Hier fühlst du dich so sicher wie kaum irgendwo sonst. Jeder Zentimeter ist überwacht und würde dich jemand ausrauben, hätte es der nächste Polizist an der Ecke längst gesehen und den Dieb wohl bereits festgenommen.




Zurück in Shanghai angekommen, was eine Stunde dauerte, waren überall Menschen mit großen Koffern unterwegs. Das macht Hoffnung, dass die Massen bald aus der Stadt verschwinden und wahrscheinlich die Einheimischen zurückkehren. Zumindest standen vor unserem Hotel heute Morgen schon die Reisebusse in Reih und Glied.




Heute haben wir es zum ersten Mal geschafft, zwischendurch eine Pause zu machen. Sonst sind wir zwölf Stunden am Tag unterwegs. Shanghai hat zwei Seiten, wie jede große Metropole – gemächlich bei Tageslicht und aufregend, wenn die ganze Stadt am Abend wieder zum Leben erwacht.





Was wir heute noch machen? Okay, wir steigen also auf die Fahrräder und fahren entlang der Wolkenkratzer in den Yuyuan Garden. Eine völlig verrückte Idee, denn die Dinger haben überhaupt kein Licht. Eigentlich spielt es auch keine Rolle, denn der Verkehr fließt einfach, ob die Ampel rot oder grün steht, ändert nichts an dem Fahrverhalten der Mopeds Fahrräder und Autos auf der Straße. Man schwimmt einfach mit dem Strom und wird immer heil am Zielort ankommen.




Am Abend hier in der Altstadt zu sein war ein kleines Highlight. Überall leuchteten Pagoden und alte chinesische Häuser, wundervoll inszeniert mit Vogelgezwitscher und spiritueller Musik.Es war magisch das zu erleben. Obwohl es sich etwas anfühlt wie Disneyland, fühlt man sich wie in einer anderen Welt. Moment, das ist China. Es ist eine andere Welt.