Donnerstag, 28. Juli 2022

Bis ans Ende der Welt...

 km 4.753 🇳🇴 - Karasjok bis Hamningberg


Der Morgen begann wie der Abend endete – mit Regen und eine Mückeninvasion, die uns fast den Verstand geraubt hat. Bloß gut haben wir noch unsere extra giftigen Mückenspiralen aus Bosnien. Die helfen wenigstens. Hätte uns zu der Zeit jemand gesagt, dass das er faszinierendste Tag unser bisherigen Reise werden würde, wären wir wahrscheinlich schwungvoller aus dem Bett gekommen.

 


Tana bru 




Gleich nach den ersten paar Kilometern landeten wir mal wieder in einer Polizeikontrolle. Nach dem Alkoholtest fragte uns der nette Beamte noch wo wir hin wollen. Er war erstaunt über unser Ziel, da es doch sehr weit weg von Karasjok war. Wir holten uns bei Circle K noch unseren Kaffee und zogen los immer entlang des mächtigen Grenzflusses zu Finnland mit seinen weitauslaufenden Sandbänken. Eine tolle Szenerie.






Nach 1,5 Stunden landeten wir in Tana bru. Während wir im ortansässigen Supermarkt den Walfleisch bestand der Kühltheke prüfen wollten (gab es letztes Mal hier zu kaufen), fuhren Mario und Monika mit ihrem dicken Wohnmobil auf den Parkplatz neben weiteren deutschen Campingschiffen. Woher wir die Namen kennen? Steht in der Windschutzscheibe. Naja, wenn hier schon so viel los ist, haben wir unsere Entscheidung gegen die Lofoten richtig gewählt. Zwergwal gab es übrigens. Auch, wenn es nicht richtig ist. Ich verteufele diese Kultur.

 






Das Wetter zeigte sich so, wie es voraus gesagt wurde: ein mächtiger Wind zog auf und das Thermometer sank auf 11 Grad. Wir sind so froh, dass es im Tedward schön gemütlich ist. Und wenn man sich was zum Mittagessen machen will, gibt es an den Picknickplätzen Grillhütten, wo man gemütlich sitzen kann.




das Tor nach Vardø 

Die Landschaft änderte sich schlagartig. Wären es 20 Grad mehr gewesen, hätte man denken können man befindet sich irgendwo in Afrika – weite Steppe und verwunschene Bäume so weit das Auge reicht. Und dieses reichte nun weit in die Barentsee. Wir hielten, gingen zwischen Steinen, Muscheln und Seegrass spazieren und entdeckten allerhand Lebewesen aus dem Meer.

 





Wir befuhren die Varanger Halbinsel. Es wurde karg und Bäume verschwanden. Dafür breitete sich ein Teppich aus leuchtenden Farben aus. Saftiges Grün wechselte mit Pink der unzähligen Weidenrößchen, Weiß des Fjellgrases, Lila der Glockenblumen, und dem Rot der Tundra. Ein fantastischer Anblick, vor allem dann, wenn die Sonne sich zeigte.

 

Hexenmahnmal 


Die nächsten 100 km bis nach Vardø waren voller Überraschungen: türkisfarbendes Meer, weißer Sandstrand, kleine Fischerorte, eine sagenhafte Vogelwelt, Holzboote und alte Kirchen, große Steine,  weidende Schafe und hier und da ein Rentier. Es war überwältigend. Auf dem Festland konnte man bis fast nach Murmansk schauen. Wir liegen nun oberhalb von Russland. 

 



Vardø 




Und dann war sie da – die Kleinstadt Vardø lag auf einer Insel genau vor uns. Wir huschten in die Röhre einen Tunnels, der uns unter dem Meer nach fast 4 km genau dort wieder ausspuckte. Mit dem arktischen Klima wurde nicht zu viel versprochen. Es herrschte ein eisige Wind bei gerade mal 9 Grad. Aber wir waren sprachlos. Wenn man Vorstellungen darüber hat wie Grönland oder die Arktis aussehen, dann weiß man wie es in Vardø aussieht. Traumhaft.






Vardø hat seit Jahren stark mit der Abwanderung zu tun. Häuser verfallen oder stehen leer. Aber gerade diese Atmosphäre mit den alten Fischkuttern im Hafen, der Wetterstationen und der vielen Wandmalerei macht diesen Ort zu einem Sehnsuchtsort, den wir in der folgenden Stunde erkundeten. Total schön war auch die neue hübsche Schwimmhalle mitten am Hafen. Am liebsten wären wir bei der Kälte mit da rein gesprungen. Aber wir hatten noch Pläne. Wir hoffen, dass dieser zumindest für morgen klappen wird. Man wird sehen.

 






Vardø ist voll mit Vögeln, vor allem Möwen, die überall an den Fensterbrettern und Erkern der alten Häuser nisten. Was für ein Spektakel. In den Wohnhäusern hängen überall Lampen in den Fenster. Wie schön es wohl hier aussieht, wenn es dunkel wird und Schnee liegt? Bestimmt märchenhaft. Weniger märchenhaft, dafür wahnsinnig beeindruckend war das Hexenmahnmal, welches als Gedenken fast 90 Menschen aus Vardø, die im 17. Jahrhundert der Hexerei beschuldigt und verbrannt wurden, gewidmet wurde. Die Stimmung darin war gruselig und mystisch zugleich.

 





Der schwierigste Teil des Tages sollte noch kommen. Uns reicht nicht die nordöstlichste Stadt Norwegens. Nein, wir mussten noch weiter in den Norden nach Hamningberg, eines der besterhaltenen Fischerdörfer des Landes auf dem 70. Breitengrad. 35 km waren es nur bis da hoch. Fast eine Stunde haben wir aber gebraucht.



Hamningberg 


Warum? Heftiger Wind mit Sturmböen, tiefe Wolken verdeckten die Sicht, Sprühregen, eine Straße, die so schmal war, dass keine zwei Autos nebeneinander passen. Links und rechts Granitfelsen, die wie Messerschneiden aus dem Boden bedrohlich empor ragten und dazwischen die meterhohen Wellen der Barentsee. 60 min lang schoss Adrenalin durch unseren Körper und wir sind wirklich heilfroh für heute hier gelandet zu sein am letzten Polartag des Jahres. Auf das Fotografieren haben wir zur Sicherheit weitestgehend verzichtet.