Sonntag, 19. August 2012

Überlebenstraining in der grünen Hölle Kolumbiens


Bogota Kolumbien, den 18.08.2012


Und nein, ich übertreibe mit meiner Überschrift nicht. Der Tag war schon eine sehr grenzwertige Erfahrung, die ich auf keinen Fall missen möchte. Hätte ich vorher gewusst, auf was ich mich mit dem Parque Chicaque einlasse, hätte mir ein wichtiger Teil meiner Erlebnisse durch Südamerika, gefehlt. Aber nun von vorn.


Ich war ziemlich aufgeregt heut Morgen. Was wird mich erwarten?! Vogelspinnen, Wald - Wald - Wald mitten in Kolumbien. Keine Menschenseele oder vielleicht doch die, denen man nicht begegnen will? Schon alleine die Fahrt dahin. Nur per Email irgendwas ausgemacht, dass mich um 10 Uhr jemand abholen kommt. Mit wem würde ich unterwegs sein? Bringt er mich auch dort hin, wo ich landen möchte?

Weidelandschaft außerhalb Bogotas




Pünktlich 10 Uhr stand Nestor vor meiner Haustür. Von dem Kennzeichen konnte ich nur die letzten beiden Ziffern erkennen, dachte mir aber das ist mein Fahrer. "Chana?" ("J" wird im Spanischen wie ch in Nacht gesprochen) "Nestor?" Los ging die Fahrt raus aus Bogota. Leider haben wir uns die 75minütige Fahrt kaum unterhalten können, da ich nur paar Brocken Spanisch und Nestor ebenso wenig Englisch sprach.


Wir verließen die Hauptstadt in südliche Richtung. Dort entlang, wo man als Ausländer besser nicht hingehen sollte. Die Fahrt war abenteuerlich. Ich habe immer noch nicht herausgefunden wie viele Spuren diese Straßen hier besitzen. Denn eigentlich ist es so, dass jeder da fährt wo Platz ist. Und wenn kein Platz mehr ist, wird gehupt.

Auf dem Weg durch die Armenviertel (und da waren es noch nicht mal die Slums), habe ich mich unwohl gefühlt. Es war ein komisches Gefühl hier in einem Auto chauffiert zu werden, während andere sich kaum was zu essen leisten können. Wie bitter, wenn man diese Gegenden sieht und nicht nur in Kolumbien. Da stehen bewohnte Häuser, die bei uns nur noch zum Abriss fällig wären. Asphaltierte Straßen gibt es keine, Hunde streunen durch die Gegend immer auf der Suche nach etwas Essbaren und ebenso die Menschen. Jeder, der in Deutschland einmal jammert, müsste einen Flug nach Kolumbien oder wohin auch immer in der Dritten Welt bekommen und sehen, was sie nie sehen werden. Es ändert sehr die Sichtweise auf manche Dinge, vor allem wie gut es uns doch geht. Wer hier nichts hat, versucht das Beste draus zu machen und verkauft eben irgendwas.


Um so näher wir dem Ziel kamen, umso mehr hüllte sich der Himmel in Nebelschwaden. Nach 75min waren wir da - der Parque Chicaque. Ein Guide hatte mir kurz mit paar Brocken Englisch die Wanderwege erklärt und dann war ich auf mich alleine gestellt. Karten gab es nicht. Aber irgendwie sollte doch eine Orientierung funktionieren, dachte ich.

Der Bosque de niebla hatte sich heute wahrlich von seiner besten und damit nebligsten Seite gezeigt. Der große Aussichtspunkt war eingehüllt in Dunst und ich möchte nicht wissen, wie weit der Blick eigentlich reicht. Bis hier hin war alles bestens und der Weg breit und gepflastert. Doch nun sollte das Abenteuer Nebelwald beginnen:




Es war ein Höhenunterschied von 800m zu bewältigen, um in das Tal zu gelangen. Die Pfade wurden immer schmaler, Lianen und Pflanzen versperrten den Weg. Man kroch nur noch über rutschige Steine. Mir hätte nur noch eine Machete und ein Stirnband gefehlt und ich wäre mir vorgekommen wie Rambo. Man musste sehr aufpassen bei dem Gefälle, dass man nicht hinfällt. Der Nebel zog in dichten Schwaden und alles war feucht: die Haare, die Steine und auf einmal auch meine Hose. Denn schwupp, eine Sekunde nicht konzentriert und da lag sie auf dem Hintern.


Ich ging und ging - insofern man das noch Gehen nennen konnte und andauernd zweigten Wege ab, aber nichts war ausgeschildert. "Oh man", dachte ich. Hoffentlich kommst du hier jemals wieder lebend raus. Ich glaube, wenn man sich hier was getan hätte, wer weiß wie und wann man von jemanden gefunden worden wäre.
Rutschpartie

Zur Verteidigung des Parkes muss man noch sagen, dass man sich am Eingang registrieren lassen musste. Name, Pass Nummer und Handynummer. Der Witz an der Sache war nur, dass ich die Nummer meines kolumbianschen Handys (mein eigenes funktioniert trotz Quadband hier nicht) nicht wusste.

Nach 1,5h war ich am Ziel meines beschwerlichen Abganges. Das Refugio - eingebettet in Schieferfelsen und Nebel. Doch ich musste ja auch wieder den ganzen Weg zurück. Mein einziger Trost war bisher noch kein achtbeiniges Tier irgendwo zu sehen, geschweige denn auf mir sitzen zu haben.
Refugio




Ich dachte eigentlich hoch wird leichter gehen, weil es nicht mehr so rutschig ist, aber dem war nicht so. Die Steigung war gnadenlos und dazu kam noch, dass ich keinen Schimmer mehr hatte, welchen der Wege ich nach unten gegangen war. Vielleicht hätte ich an die Gebrüder Grimm denken sollen, aber Hänsel und Gretel haben es ja auch nicht auf die Reihe bekommen. Mein Ende sollte aber keine bucklige Gestalt sein, sondern Nestor, der am Parkeingang auf mich wartet.















I made it ! Ich war pünktlich 15 Uhr am Ausgang mit klitsche nassen Haaren, pampigen Schuhen, dreckigen Hosen und ein Gefühl von Erleichterung.










Originalgröße ca. 5cm


Abendbrot: Mango, Tamarillo, Pitahaya, Uva, Pan & Moronga