5:30 Uhr war heute bereits die Nacht zu Ende, denn wir hatten für 7:00 Uhr einen Beauty Termin vereinbart. Wir fuhren also in Vogar nichtsahnend los durch ein Lavafeld. Auf einmal sahen wir in weiter Ferne Rotes in die Luft spritzen. Hä? Wir dachten, der Vulkan hat sich wieder beruhigt. Das sieht aber nicht nach Ruhe aus. Man konnte deutlich die Lava in die Luft gehen sehen. Die Fissur formt sich langsam in einen richtigen Kegel, haben wir später nachgelesen.
Nach einem Foto Stopp landeten wir kurz vor knapp an der Blauen Lagune. Auch hier war es etwas unheimlich. Überall liegt frische Lava (der letzten Monate). Die ursprünglichen Straßen und Parkplätze gibt es schon lange nicht mehr und ständig werden sie behelfsweise neu errichtet. Das einzige, was beständig bleibt, ist die strahlend blaue Farbe dieser Lagune.
Der Leser, der diese Attraktion Islands nicht kennt, denkt an Palmenhaine, Sandstrand und eine Kokosnuss in der Hand. Dabei befindet sich die Lagune mitten in einem Industriegebiet. Glaubt ihr nicht? Doch, denn die Erdwärme muss ja irgendwie in die Gegend abtransportiert werden. Aber gerade das macht sie zu einem außergewöhnlichen Ort.
Die Farbe ergibt sich aus dem Silica (Siliciumoxid) und reflektiert die Sonnenpartikel. Das Wasser ist voll mit verschiedenen Mineralien. Der Boden setzt sich weiß ab. Innerhalb von 40 Stunden wechseln sich die 9 Millionen Liter der Lagune einmal selbstständig, denn es wird mit Meerwasser aus 1981 Metern Tiefe gespeist und hat einen natürlichen Zu- und Abfluss.
7:00 Uhr Blaue Lagune ist vom Gefühl wie ein Sechser im Lotto zu haben. Eine Stunde lang, bis zum nächsten Times Slot, waren wir vielleicht mit 20 anderen Personen in diesem riesigen Areal. Ruhe am Morgen. Fantastisch.
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leider tot |
Was kann man dort machen? Vor allem im 38 °C warmen Wasser sitzen, sich Schlammmasken ins Gesicht schmieren, die man sich wahrscheinlich am Abend noch aus dem Nasenloch pult, und früh um 8 Uhr ein Bier genießen. Das alles, während 5 Kilometer weiter ein Vulkan ausbricht. Obskur.
Und genau das taten wir. Okay, vielleicht nutzen wir es auch, um uns mal wieder richtig ausgiebig zu duschen. Aber man muss sagen der Innenbereich ist mit der Forrest Lagoon in Akureyri nicht zu vergleichen und erst recht nicht die Pflegeprodukte, mit denen man fünf Tage später noch nach Wald gerochen hat.
Es kostet ein wahnsinniges Geld und früh am Morgen bekommt man noch etwas Rabatt, aber man muss das glaube ich einmal im Leben gemacht haben. Wenn man andere Lagunen in Island kennt, weiß man, dass das nicht die Beste ist. Aber in Island gewesen zu sein, ohne die Blaue Lagune besucht zu haben, ist wahrscheinlich als ob du in Paris bist und schließt die Augen vor dem Eiffelturm.
Natürlich hielten wir nochmal parallel des Vulkans auf dem Rückweg, um nach dem Rechten zu schauen und tatsächlich - er war immer noch da und spuckte Feuer. Von der Luftqualität sprechen wir da besser nicht. Die Sonne versuchte, sich heute den ganzen Tag durch den Smog zu drängen, schaffte es aber in den wenigsten Fällen.
Nachdem wir Keflavik und damit dem internationalen Flughafen Islands den Rücken drehten, landeten wir wieder in idyllischen Küstenorten. So besuchten wir in Gardur den Leuchtturm, wo allerhand los war. Aber nicht an Besuchern, sondern Robben, die mit Enten um die Wette im Wasser schwammen.
Die gesamte Reykjaness Halbinsel ist wie ein Tanz auf dem Feuer. Überall brodelt und qualmt es, und riecht nach Schwefel. Gewaltige Erdwärmekraftwerke lösen sich ab vom blauen mineralhaltigen Wasser und gigantischen Dampfsäulen in den Hängen.
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Brücke zwischen zwei tektonischen Platten |
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der Schutzwall |
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frische Lava |
Dieses kleine Land ist so divers in seiner Landschaft, dass du keinen Ort woanders nochmal findest. Diese riesigen weiten Lavafelder, hohe Berge und Gletscher, Fjorde, kilometerlange Sandstrände und alles mit einem völlig eigenen Charme – jeder einzelne Teil Islands ist besonders. Dieses Land hat auf dieser kleinen Fläche alles an Naturspektakeln abbekommen, was man sich nur vorstellen.
Wir gelangten nach Grindavik. Hier war ein gigantischer Schutzwall, um die Ortschaft gebaut, der circa 30 m hoch ist. Vor was soll er die Ortschaft schützen? Natürlich vor Lava. Denn Grindavik befindet sich an der Küsten des derzeit aktivsten Lavafeldes Islands. Seit 2020 kommt die Ortschaft allerdings nicht mehr zur Ruhe und es kommt immer wieder zu Vulkanausbrüchen, Erdbeben und dementsprechenden Evakuierungen. Rings um die Ortschaft siehst du einfach nur einen Teppich aus schwarzer Lava, die auch einige Häuser verschluckt hat.
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südliche Vulkanfissur |
Leider mussten die meisten Bewohner aufgeben und ihr zu Hause verlassen. Nach dem ersten Erdbeben 2020 hatten sie ganze 5 Minuten Zeit schnell ihre Sachen zu holen, bis man sie aus der Sperrzone entfernt hat. Dazu gibt es im Dorf selbst eine Ausstellung, die sehr bewegend war. Du findst auch Tafeln mit genauen Anweisungen, wie du dich bei der nächsten Evakuierungssituation, die ja nun gerade mal drei Tage her ist, verhalten sollst. Überall ist die Erde aufgerissen. Häuser stehen schief oder tiefe Löcher sind entstanden.
Wohnen tut er tatsächlich kaum noch jemand. Einzig ein paar Firmen sind im Betrieb oder der ortsansässige Imbiss für die Touristen. Was hier aber immer geht, obwohl nur 5 km Entfernung gerade wieder ein Vulkan in die Höhe schießt, ist Golfen und Grindavik hat einen riesigen Golfplatz, wo man sich schön am Samstagnachmittag beim Ballspielen trifft.
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Lava und Grindavik |
Wir kletterten mit allen andern einen Schutzwall nach oben, der natürlich ein offizieller Weg war. Was witzig ist, dass man ihre Nationen stets an den Marken ihrer Outdoorkleidung erkennt. Wir standen also am südlichsten Ende der Kraterfissur - dort wo zwar keine Lava mehr in die Luft geschleudert wird, aber dennoch dichter, heller Rauch in die Luft bläst.
Wir fuhren weiter entlang der Südküste und auf einer Anhöhe sahen wir plötzlich den speienden Vulkan von einer ganz anderen Richtung und dabei schon wesentlich näher. Was folgte, war ein Parkplatz voll mit Autos, an dem man so und so Vulkantouren in dieses Gebiet machen kann. Geprägt vom Herdentrieb, rannten wir einfach allen anderen ziellos hinterher. Obwohl, eigentlich hatten wir ja ein Ziel - einen aktiven Vulkan zu sehen.
Es zog sich und zog sich und zog sich. Wenn man jemand fragte, der einem entgegen kam, bekam man immer nur die Antwort noch 20 Minuten, noch 20 Minuten. Wir wussten nicht - sollen wir umdrehen oder weitergehen? Was wir aber wussten, dass wir diesen ganzen Weg zurücklatschen müssen. Aber man sagte uns stets, dass sich der Weg lohnen wird und tatsächlich so war es auch.
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relativ frisch & glänzend |
Irgendwann war Schluss mit gemütlicher Wanderung und es standen Schilder, dass wir uns in der Hazard Area befinden. Ab nun waren wir mit dem Vulkan unser eigenen Glückes Schmied. Am Ende war unserer ungeplanter Boxenstop eine 8 km Wanderung durch Matsch und über Geröll. Aber das, was wir damit verdient haben, lässt sich kaum in Worte fassen. Wir hatten den Vulkan genau vor Augen in circa 1,5 km Entfernung. Die paar Leute, die da waren, waren sehr still. So saßen wir dort gemeinsam auf diesem großen Lavahügel und schauten gegenüber in den gigantischen Kochtopf. Es war ähnlich wie mit den Walen - auch Vulkane machen ein nie zu vergessenes Geräusch.